Das Trauma der Geburt

Der Verlauf unserer Geburt – der Übergang von der vorgeburtlichen Existenz zum postnatalen Leben – ist von zentraler Bedeutung für jede Phase unserer körperlichen und psychischen Entwicklung.

Therapeutische Erfahrung zeigt, dass die Geburt uns ganzheitlich prägt. Kognitive und sprachliche Möglichkeiten diese Erfahrung zu verarbeiten werden erst später erworben.

Das Trauma der Geburt berührt unmittelbar unseren Kern und formt unsere zentralen psychosomatischen Strukturen. Ein Zugang zu dieser Erfahrung ist über Körperarbeit möglich.

Die Vorstellung, dass die Geburt ein traumatisches Erlebnis für ein Baby sein kann geht auf Sigmund Freud zurück. Seine zunächst somatischen Beobachtungen an Patienten ließen ihn vom sogenannten Geburtstrauma sprechen. Später sahen er und sein Schüler Otto Rank in der Austreibungsphase und der Trennung von der Mutter die eigentliche Traumatisierung. Dieses für jedes Kind mehr oder weniger traumatische Erlebnis betrachteten sie als Wurzel aller späteren Angstgefühle, sie vermuteten hier auch den Ursprung religiöser Vorstellungen.
Freuds Bereitschaft, die Bedeutung solch früher Erfahrungen als bedeutenden Faktor für die psychische Entwicklung jedes Menschen in Betracht zu ziehen endete mit der Veröffentlichung von Otto Ranks Buch “Das Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoanalyse” (1924). Ranks Theorien verlangten in der Konsequenz nicht weniger als eine vollständige Neuformulierung grundlegender psychoanalytischer Konzepte.
Freuds repressive Haltung diesen Konzepten gegenüber hat seither Psychoanalytiker und Psychotherapeuten aller Schulen geprägt. Und so ist in die tiefenpsychosomatische Bedeutung der Geburt in der Schulpsychologie und vor allem in der Psychoanalyse bis heute umstritten.

Geburtsdiagnostik – die tiefenpsychosomatische Bedeutung der Geburt

Die Arbeiten der modernen Prä- und Perinatalpsychologie und Medizin belegen immer klarer, dass der Verlauf unserer Geburt, der Übergang von der vorgeburtlichen Existenz zum postnatalen Leben, von zentraler Bedeutung für jede Phase unserer späteren Entwicklung ist. Das Trauma der Geburt berührt unmittelbar unseren Kern und formt unsere zentralen psychosomatischen Strukturen.
Ein Zugang zu dieser Erfahrung ist über Körperarbeit möglich. Geburtsdiagnostik ist eine Technik, die dem Körper durch Psychodrama und Berührung ein Erinnnern dieser tiefsitzenden Programmierungen ermöglicht. Durch gezielte Berührung des Körpers (bei einer Kopfgeburt vor allem des Kopfes) wird eine Re-Inszenierung der eigenen Geburt ermöglicht.
Durch diese Unterstützung kann die emotionale Bedeutung der Geburt wahrgenommen und ein Bewusstwerden der eigenen tiefenpsychosomatischen Struktur ermöglicht werden. Dies schafft Raum neue Lösungsstrategien auszuprobieren anstatt die eigene Geburtsdynamik unbewusst in jedem Lebensprozess zu wiederholen.

Wichtig ist, dass es sich hierbei nicht um ein einmaliges Bewusstwerden handelt. Die durch die Technik der Geburtsdiagnostik eingeleitete Verarbeitung der Geburt ist eine immer wieder zu erneuernde Öffnung des Menschen, die ihn befähigt, wirklich im Leben zu stehen, anstatt in der Enge einer unbewussten Geburtsdynamik gefangen zu bleiben.

weiterführende Artikel:

  • “Die psychologische Bedeutung der Schnittentbindung für das Kind”
    von Terence Dowling
    veröffentlicht in C. Büttner, D. Eschenbroich & A. Ende (Hrsg.), Aller Anfang ist schwer: die Bedeutung der Geburt für psychische und historische Prozeße. Jahrbuch der Kindheit. Bd. 8 Weinheim/Basel: Beltz 1991
  • ”Die Bedeutung prä- und perinataler Erfahrungen in der Kindertherapie”
    von Terence Dowling
    veröffentlicht in Kind und Umwelt 56/1987
  • “Das Geburtstrauma”
    von Terence Dowling
    veröffentlicht in Kind und Umwelt 56/1987